Sebastian Weik Blog | e-Mobility | Tesla Model 3

Sebastian Weik

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Tesla Model 3

Teslas Model 3 - ein sportlicher Flitzer
Teslas Model 3 - ein sportlicher Flitzer

433 Tesla Fahrzeuge wurden laut KBA im Monat Mai in Deutschland zugelassen - die meisten davon dürften Model 3 gewesen sein. Grund genug, sich das Fahrzeug einmal näher anzuschauen: scheint es doch als ob mit dem Model 3 tatsächlich ein sinnvolles und auch Langstrecken taugliches Elektrofahrzeug zu "erschwinglichen" Preisen auf den Markt kommt. Und da der Hype mit den vielen Vorbestellungen verpufft ist (es gab mal 400.000 Vorbestellungen mit langen Wartezeiten, jetzt hat Tesla ca. 200.000 hergestellt und die Lieferzeit beträgt 7-10 Tage!), kommt man auch in kurzer Zeit zu einer Probefahrt.

Rückansicht
Rückansicht

Diese vereinbart man gleich online und bekommt auch sofort eine Bestätigung zugesandt. Während der Probefahrt darf man dann "begleitet" durch einen Tesla Mitarbeiter eine vordefinierte Strecke abfahren. Ein ungewöhnliches Modell aber im Grunde nicht schlecht, kann man doch den Beifahrer während der Fahrt befragen. Leider vermittelte mein konkreter Mitstreiter nicht den Eindruck, als ob er viel von Elektromobilität verstünde oder gar selbst eines im privaten Bereich führe. Die Verwechslung von kW und kWh sollte eigentlich in diesem Bereich nicht passieren ... Egal, ich will ja nicht den Verkäufer kaufen!

Äußerer Eindruck

Geräumiger Kofferraum mit<br>niedriger Ladekante
Geräumiger Kofferraum mit
niedriger Ladekante

Äußerlich wirkt das Model 3 etwas frischer und sportlicher als das Model S. Auf den ersten Blick ist die Verarbeitung ordentlich, die vielen Deutschen so wichtigen "Spaltmaße" sind in Ordnung und das Geräusch beim Öffnen und Schließen der Türen etc. wirkt wertig und satt. Der Kofferraum ist tief und dunkel und die Ladekante mittelgut - schlechter als im i3 aber besser als im Leaf z.B. Unter dem Kofferraum mit einer extra Klappe ist noch ein zusätzliches großes Fach für Lade-Equipment etc. Auch im Tesla ist diese Klappe zur Abtrennung des Unterbodens aber leider nicht zweigeteilt, damit man an die Kabel dran kommt, auch wenn im Kofferraum schon eine Wasserkiste o.ä. steht. Der zusätzliche "Frunk" vorne ist von ordentlicher Größe und nimmt noch zwei flache Sporttaschen auf.

Platz nehmen

Vordere Sitzreihe
Vordere Sitzreihe

Von innen kommt das Model 3 wahrscheinlich von allen derzeit verfügbaren Serienfahrzeugen am futuristischten daher: Türöffner und Fensterheber, zwei Wippen auf dem Lenkrad und der Fahrtrichtungsschalter am Lenkrad - damit erschöpfen sich die haptischen Bedienelemente. Der Rest wird über einen überdimensionalen in der Mitte montierten Touchscreen bedient. Dieser ist auch die einzige Anzeige für alle Funktionen. An diesem minimalistischen Konzept scheiden sich die Geister, wahrscheinlich ist es aber nur Gewöhnungssache. Der 15 Zoll große Touchscreen reagiert jedenfalls prompt und wichtige Funktionen wie Licht oder Scheibenwischer lassen sich mit zwei "Klicks" gut erreichen. Die digitale Geschwindigkeitsanzeige ist in der linken oberen Ecke des Displays platziert und lässt sich im Augenwinkel gut während der Fahrt ablesen. Über die integrierte SIM-Karte ist das Fahrzeug online und nutzt man den riesigen Bildschirm zum Internet surfen kommt schon Freude auf. Leider gibt es dieses Feature aber wohl nur bei den teureren Varianten.

Im Fonds ist genügend Platz<br>unter dem Glasdach
Im Fonds ist genügend Platz
unter dem Glasdach

Die Sitze wirken auf den ersten Blick ergonomisch gut gestaltet und geben eine gute Unterstützung im Lendenwirbelbereich. Sie sind wie das Lenkrad auch elektrisch verstellbar, so dass ein Anpassung auf verschiedenste Fahrer möglich ist. Die Bein- und Kopffreiheit im Fond ist gut, man hat kein eingeengtes Gefühl, was sicher auch durch das großflächige, getönte Glasdach unterstützt wird.

Blick nach vorn
Blick nach vorn

Die Haptik und Qualität der im Innenraum verbauten Materialien ist ok, wenngleich man sich fragt, wie lange die mit Samtfasern bestreuten Kunststoffteile in der Mittelkonsole und im Handschuhfach ihre Schönheit behalten werden. Das Sitzmaterial (eine Art Neopren) sieht ein wenig aus wie Kunstleder und fühlt sich nicht schlecht an. Ob man darauf bei längeren Fahrten schwitzt, konnte ich aber nicht testen.

Die Sicht nach hinten heraus für den Fahrer ist im Bereich der C-Säule etwas eingeschränkt, aber das ist ein Problem der meisten modernen Autos. Ausgestattet mit 8 Kameras rund herum, unterstützt das Fahrzeug aber ausreichend mit allerlei Abstandswarnern und Kamerabildern. Das lässt m.E. keine Wünsche offen.

Fahrerlebnis

Beim Testfahrzeug handelte es sich um die Vierrad-getriebene Performance Version mit fast 500 PS und 640 Nm; die Beschleunigung, vor allem auch noch von 80 auf 120 km/h ist mit "krass" vielleicht ganz gut umschrieben. Braucht man das? Wahrscheinlich dann, wenn alle irgendwann E-Autos haben, um wieder der oder die erste zu sein. Momentan reicht auch ein i3 mit seiner Fahrleistung, um bis 120 das meiste mit Verbrennungsmotor zurück zu lassen. Der in anderen Tests so gescholtene Autopilot verrichtete auf der Autobahn bei Sonnenschein sehr gut seinen Dienst. Alle 40 Sekunden muss man kurz am Lenkrad wackeln (nur berühren reicht nicht), damit er sich nicht abschaltet. In der Stadt konnte ich ihn nicht testen. Für einen i3-Fahrer gewöhnungsbedürftig ist die "Handschaltung", die - ungewöhnlich - nach unten die Vorwärtsrichtung auswählt und nach oben rückwärts anwählt. Das ist beim i3 genau anders herum und führte beim Einparken und Rangieren zunächst zu Missverständnissen zwischen mir und dem Auto.

Gesamteindruck

Der riesige Toouchscreen<br>für die Bedienung von fast allem
Der riesige Toouchscreen
für die Bedienung von fast allem

Ab ca. 45.000 Euro ("Standard-Reichweite Plus": ca. 55kWh Batterie, 2-rad Antrieb, 18 Zoll und schwarz) bekommt man mit dem Model 3 ein Fahrzeug, das eigentlich als Elektrofahrzeug keine Wünsche mehr offen lässt: Eine geschätzte Winterreichweite von knappen 300km, Schnellladeleistung von 150kW (d.h. ca. 250km in 30 Minuten) machen ein solches Fahrzeug vollständig Alltags- und auch Langstrecken tauglich. Hierzu trägt auch die sehr gute Ladeinfrastruktur bei, die Tesla zumindest über Westeuropa bereits gelegt hat. Es gibt als Option sogar eine Anhänger-Kupplung, die 900kg gebremst vertragen soll. Das minimalistische Innere gefällt mir persönlich ist aber Geschmackssache. Die Ausstattung ist auch beim kleinsten Modell ordentlich; für Navi, Rückfahrkameras, Sitzheizung, LED-Licht, Schnelllader, Bluetoth etc. zahlt man bei Tesla nichts extra. Ärgerlich ist jedoch, dass Internet auf dem großen Bildschirm erst ab den Versionen "Maximale Reichweite" und "Performance" verfügbar ist und zumindest im offiziellen Konfigurator sieht es auch nicht so aus, als ob man das alleine dazu konfigurieren könnte.

Schwer einzuschätzen ist der Verbrauch: Auf den Tesla-Seiten findet sich dazu tatsächlich nichts, die Model 3 Wiki Seite macht einige Angaben ohne Referenzen. Im ADAC Eco-Test liegt das Model 3 (in "Performance"-Version) bei 20,9kWh/100km. Zum Vergleich liegt der 94 Ah-i3 im ADAC Eco-Test bei 17,4 kWh/100km. Da letztere bei sparsamer Fahrweise recht realistisch sind, dürften auch die 21kWh ein realistischer Wert für das Model 3 in der Performance-Version sein. Die etwa 300kg leichtere "Standard Range Plus" Version dürfte etwa 10% sparsamer sein, also realistisch im Jahresmittel bei vorsichtiger Fahrweise mit etwas unter 19kWh/100km zu bewegen sein.

Etwas schade ist, dass Tesla ein ganz neu herausgebrachtes Fahrzeug nicht mit einem DAB-Radio ausstattet. Das sollte man heute dabei haben, falls FM doch in 5-10 Jahren abgeschaltet wird. Aber das sind neben der unsicheren Haltbarkeit der Innenmaterialien und der Frage, ob Tesla als Firma überleben wird (...) auch schon die einzigen kleinen Auffälligkeiten.

Die Fahrzeuge sind nach Aussage des Verkäufers derzeit in 7-10 Tagen verfügbar(!), sofern man sich ein vorproduziertes Modell bestellt. Das funktioniert so gut,weil es eigentlich nur 20 Varianten gibt: 5 Farben mal 2 Antriebsarten (2-Rad, 4-Rad) und die Innenfarben schwarz und weiß. Der Rest ist Software-Konfiguration (Batteriegröße, Autopilot) oder der simple Tausch von verschiedenen Alufelgen. Stünde ich heute vor der Wahl "aktueller BMW-i3" oder "Tesla Model 3" in der "Standard-Reichweite Plus" (was für ein furchtbarer Name ...) fiele die Wahl ohne großes Nachdenken auf das Model 3. Ein BMW i5 könnte jetzt wunderbar dem Model 3 die Schau stehlen. Es ist beinahe tragisch zu sehen, wie BMW hier seinen Vorsprung verspielt hat!

2019-06-07